Veranstaltung: | Landesparteitag, 25.-27.11.16, Neumünster |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
Antragsteller*in: | Dennis Mihlan (KV Plön |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.11.2016, 10:01 |
V 4: Naturschutzflächen bewahren – keine Ausnahmeregelungen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften auf Naturschutzflächen
Antragstext
Wir, Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein nehmen die Vereinbarungen und
Zielsetzungen des Flüchtlingspaktes für Schleswig-Holstein beim Wort:Die Verteilung
von Geflüchteten innerhalb der Kreise in den kreisangehörigen Bereich soll
gesteuert erfolgen, indem sie primär an den örtlichen Gegebenheiten und Bedarfen
ausgerichtet und nicht wie bislang vorrangig anhand des Einwohnerschlüssels
berechnet wird.
Wenn dringendbenötigte Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in einer Kommune
auch unter Anwendung der Sonderregelungen der Absätze 8 bis 13 des § 246
Baugesetzbuch (BauGB) nicht rechtzeitig errichtet werden können, muss das Land
Schleswig-Holstein regulatorisch in den geltenden Verteilschlüssel eingreifen. In
diesen Fällen muss zwingend eine anderweitige Unterbringung im zuständigen Kreis
geprüft werden. Ist auch diese Prüfung nicht erfolgreich ist landesweit zu prüfen.
Wir müssen zudem klare programmatische Signale senden, dass der Eingriff in Flächen
des Naturschutzes und/oder der Landschaftspflege keine Lösung für die
vermeintlichen Probleme der Unterbringung Geflüchteter sein kann. Vielmehr müssen
wir darauf hinwirken, dass die Unterbringung von Flüchtlingen und anderen
Asylsuchenden in lebendigen Quartieren und Gemeinschaften erfolgt. So funktioniert
Integration besser als auf der grünen Wiese und wir wirken weiteren Eingriffen in
unsere schützenswerte Natur entgegen.
Begründung
Einführung
Die Zahl der Asylsuchenden ist im Vergleich zum Höhepunkt im Jahr 2015 deutlich zurückgegangen, der Zuzug von Geflüchteten hält aber nach wie vor an. Wie sich die Lage angesichts der andauernden Konflikte und der Perspektivlosigkeit vor allem in Staaten des Nahen Ostens und in Afrika weiter entwickelt ist schwer vorauszusagen. Die Menschen, die unser Land nach ihrer Flucht erreichen, brauchen unsere Hilfe und Unterstützung und sie brauchen vernünftige, menschenwürdige Unterkünfte, im Idealfall in intakten, gemischten Quartieren – nur so kann Integration auf beiden Seiten gelingen.
Was wir alle brauchen ist eine intakte Natur. Diese gilt es zu schützen und zu bewahren, so dass die natürliche Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen dauerhaft erhalten bleibt.
Problemdarstellung/Begründung
Durch die mit Artikel 6 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vollzogene Änderung des Baugesetzbuches (BauGB), insbesondere des § 246 BauGB, ist es nunmehr möglich, in bestimmten Fällen von den Regelungen des Baugesetzbuches abzuweichen. Im speziellen sehen die Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte vor, dass, wenn dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet einer Gemeinde nicht oder nicht rechtzeitig hergestellt werden können, diese gem. § 246 (14) BauGB auch auf Naturschutzflächen und auf Flächen der Landschaftspflege errichtet werden können. Die im Baugesetzbuch definierten Vorschriften zum Umweltschutz und die Verweise auf das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) wie zum Beispiel die Berücksichtigung der Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und die biologische Vielfalt (Biodiversität) werden ausgehebelt und die Entscheidung per Gesetz auf die zuständige höhere Verwaltungsbehörde delegiert. Dieses ist für die allermeisten Kommunen in Schleswig-Holstein der entsprechende Landkreis. In der Regel sollte dort die gewöhnlich damit befasste Untere Naturschutzbehörde (UNB) zuständig sein, qua Amt hat aber die entsprechende Landrätin bzw. der entsprechende Landrat als oberste Kommunalbeamtin bzw. oberster Kommunalbeamter und vorgesetztes Organ der UNB das letzte Wort – auch gegen ein eventuell anders lautendes Votum der Fachleute der UNB.
Der Bau von Unterkünften auf Naturschutzflächen stellt einen irreparablen Schaden an den betroffenen Flächen dar. Auch die gesetzlich verankerte Verpflichtung zum Rückbau eben solcher Unterkünfte, auch in „mobiler“ Herstellungsweise, kann den angerichteten Schaden nicht wieder beheben. Gewachsene Natur lässt sich nicht einfach durch das Verfüllen einer Baugrube und ein paar Anpflanzungen wieder in den Ursprungszustand zurück versetzen, einmal zerstörte Natur ist auf lange Zeit für den Naturhaushalt verloren. Zudem ist absehbar, dass sich Lärm- und Lichtemissionen nachteilig auf die Fauna im gesamten Schutzbereich auswirken. Temporäre Entlassungen aus dem Naturschutz können nicht die Lösung für eine vermeintliche Flächenknappheit sein. In der Regel sind ausreichend Flächen für Flüchtlingsunterkünfte in bereits ausgewiesenen oder geplanten Baugebieten vorhanden oder durch Nachverdichtung oder Nutzungsänderungen im Innenbereich zu erschließen. Hier eröffnen die neuen Erleichterungen im Bauplanungsrecht eine Vielzahl an Möglichkeiten und vergrößern den Handlungsspielraum der Kommunen gewaltig. Dort könnte nachhaltiger Wohnungsbau erfolgen und die i. d. R. öffentlichen Gelder wären zukunftsorientiert investiert. Alternativ könnten so erschlossene Flächen im Innenbereich nach der Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete rentabel veräußert werden.
Außerdem, und darauf zielt dieser Antrag ebenfalls ab, ist es fraglich in wieweit der Schutzstatus einer Fläche nach so einer Maßnahme überhaupt noch gegeben ist und ob dann nicht die Unterbringung von Flüchtlingen als Einfallstor für die Erschließung und den Bau auf Naturschutzflächen dient. Viele Flächen, auf denen die Bebauung nach geltender Gesetzeslage nun möglich wäre, sind besonders attraktiv und schon lange im Fokus von Gemeinden und Investoren. Die Problematik rund um die Unterbringung von Geflüchteten darf nicht der Türöffner für den Zugriff auf bisher nicht erschließbare Flächen sein.
Der Begriff Naturschutzfläche ist gewollt so weit gefasst, da es explizit nicht nur um Areale innerhalb von Naturschutzgebieten (NSG) gem. Bundesnaturschutzgesetz geht, sondern auch um sonstige Flächen des Naturschutzes wie zum Beispiel (gesetzlich geschützte) Biotope und Biotopverbundsysteme, besonders geschützte Landschaftsteile, Reservate und Pufferzonen zu Schutzgebieten sowie Flächen der Landschaftspflege (LSG) in denen entsprechende Eingriffe im Normalfall regelmäßig durch die UNB versagt werden.
Unterstützer*innen
- Susanne Elbert (KV Plön), Dr. Ulrich Markmann-Mulisch (KV Plön), Monika Petermann (KV Plön), Gerd Dreßler (KV Plön), Regina Jaeger (KV Plön)